Die Linke tritt am 27. März erstmals seit ihrer Gründung 2007 ohne ihre einstige Galionsfigur, Ex-Ministerpräsident Oskar Lafontaine (78), an. Er und seine Unterstützer haben sich frustriert aus der Parteiarbeit zurückgezogen und werfen der Parteispitze um Thomas Lutze (52) die Manipulation innerparteilicher Wahlen vor. Der Staatsanwalt ermittelte, stellte das Verfahren gegen Lutze aber ein (nicht jedoch gegen einen früheren Mitarbeiter). Das Klima in der Linken ist so eisig geworden, dass die von Lafontaine geführte Landtagsfraktion die mit Lutze verbündete Abgeordnete Barbara Spaniol (58) Ende 2021 ausschloss. Spaniol gründete daraufhin mit einer weiteren Abgeordneten die Fraktion Saar-Linke. Der Landesverband, in dem Lafontaine keine Autorität mehr besitzt und inzwischen sogar zum Austritt gedrängt wird, hat Spaniol zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl gekürt.
Die Grünen rieben sich in Lagerkämpfen zwischen den Anhängern und Gegnern des früheren Landesvorsitzenden Hubert Ulrich (64) derart auf, dass sie es 2021 nicht einmal schafften, eine gültige Landesliste für die Bundestagswahl aufzustellen – ein in der Geschichte des Landes beispielloser Vorgang. In der Folge verschoben sich die seit Anfang der 90er Jahre verfestigten Mehrheitsverhältnisse in der Partei zugunsten der Ulrich-Gegner. Eine von ihnen, Lisa Becker (31), ist nun Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Die Partei hat sich zuletzt etwas gefangen und tritt im Landtagswahlkampf disziplinierter als in den Monaten davor, auch wenn die Konflikte hinter den Kulissen fortbestehen.
In der saarländischen Klimaschutzbewegung wollte man das Desaster bei Grünen und Linken im vergangenen Jahr nicht länger mit ansehen. Aus diesem Umfeld wurde daher im Herbst die Wählervereinigung Bunt.Saar gegründet, die nun in den Landtag will. Der Versuch, so kurz vor der Wahl ein Programm und einen kompletten Wahlkampf auf die Beine zu stellen, ist aber äußerst ambitioniert.
Und die AfD? Bei ihr erklärte das Landgericht Saarbrücken in letzter Zeit gleich zwei Mal innerparteiliche Wahlen für ungültig. Die Partei ist auf höchster Ebene völlig zerstritten. Es gibt drei Lager, die sich nicht programmatisch unterscheiden, sondern nur in ihrem Verhältnis zum früheren Landesvorsitzenden und amtierenden Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr (83). Führende AfD’ler gingen sogar so weit, die bereits eingereichte Landesliste für die Landtagswahl mit Spitzenkandidat Kai Melling (52) wieder zurückzuziehen, weil ihnen die Kandidaten auf den vorderen Plätzen peinlich waren. Dass keine Zeit mehr war, eine neue Liste zu wählen, nahmen sie dabei in Kauf. Nun steht die Partei ohne Landesliste da, also auch ohne landesweiten Spitzenkandidaten. Auf den Wahlzetteln steht sie trotzdem, weil es neben der Landesliste auch drei Wahlkreislisten gibt, die jede Partei einreichen kann.
Die möglichen Koalitionen
Eine der spannendsten Fragen in jedem Wahlkampf lautet: Wer will mit wem? Im Saarland regierten Parteien lange Zeit mit absoluter Mehrheit – also ohne Koalition: die CDU von 1970 bis 1975, die SPD von 1985 bis 1999 und abermals die CDU von 1999 bis 2009. Doch das Parteiensystem ist in den vergangenen Jahrzehnten durch den Zerfall der gesellschaftlichen Milieus viel unübersichtlicher geworden, die Zeiten absoluter Mehrheiten sind vorbei. Für eine Mehrheit im Landtag müssen sich zwei oder – wie bei der 2009 gebildeten Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen – sogar drei Parteien zusammenschließen. Das Regieren wird dadurch natürlich viel schwieriger, weil jede Partei unterschiedliche Interessen hat.
Seit dem Scheitern der Jamaika-Koalition 2012 wird das Saarland von einer Großen Koalition aus CDU und SPD regiert. Im Bund hat inzwischen eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen das Sagen.
Koalitionen müssen nicht immer vom Wahlsieger angeführt werden. Auch Verlierer können mit Hilfe anderer Parteien eine Regierung bilden. So war es im Saarland 1980, als die CDU mit Hilfe der FDP eine Regierung bildete, obwohl die SPD stärkste Kraft wurde.
Wie sieht es vor der Landtagswahl am 27. März aus? Die Fortsetzung der Großen Koalition ist eine Option. Trotz mancher Konflikte haben CDU und SPD recht gut harmoniert, auch menschlich. Die großen Probleme des Saarlandes, vor allem in der Industrie, sowie die Zerstrittenheit der potenziellen Koalitionsparteien Grüne und Linke (mit der AfD will keiner regieren) sprechen ebenfalls für eine Fortsetzung der „GroKo“.
Die CDU zeigt starke Sympathien für die SPD als Partner, ohne andere Konstellationen auszuschließen. Die SPD lässt die Frage offen, für sie könnte auch eine Ampel-Koalition in Betracht kommen – ähnlich wie auf Bundesebene. Klarheit darüber herrscht vermutlich erst mehrere Wochen nach der Landtagswahl, wenn die Parteien untereinander sondiert haben.
Daniel Kirch