Pro \\ Contra

Frauenquote?

Zwei wirklich\\wahr-Redakteurinen diskutieren die Frage, ob es eine Frauenquote für politische Parteien braucht. „Manchmal muss der Gerechtigkeit nachgeholfen werden“, findet Hannah Pauly. Dagegen sieht Diana Podoynitsyn in der Frauenquote „nicht den Weg“ für die Parteien.

Pro

Seit über 100 Jahren haben Frauen in Deutschland das Wahlrecht, seit gut 70 Jahren steht die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Grundgesetz. Doch in den Parlamenten sieht es schlecht aus mit der Gleichberechtigung: Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag beträgt 34,8 Prozent. Im saarländischen Landtag sind es sogar nur 33,3 Prozent. Diese Zahlen sind ernüchternd, wenn man bedenkt, dass immerhin etwas mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung Frauen sind. Die Devise muss also lauten: Mehr Frauen in die Parlamente!

 

Um Frauen in der Politik zu fördern, haben einige Parteien bereits parteiinterne Frauenquoten beschlossen. Solche Quoten helfen dabei, dass Frauen mehr Chancen auf wichtige Posten bekommen. Außerdem können sie eine Partei für strukturelle Benachteiligung sensibilisieren und dieser so entgegenwirken. Es ist wichtig, Frauen in der Politik zu fördern, damit sie an wichtigen Entscheidungen mitwirken können. Frauen müssen mit am Tisch sitzen, um über Themen mitentscheiden zu können, die sie verstärkt betreffen.

 

In vielen Parteien gibt es weniger weibliche als männliche Mitglieder; eine Quote, die Frauen in der Partei fördert, könnte auch hier hilfreich sein, damit mehr Frauen sich in Parteien engagieren wollen. Es ist also auch ein Zeichen nach außen, dass eine Partei sich tatsächlich mit Gleichberechtigung beschäftigt, anstatt nur darüber zu reden.

 

Gleichberechtigung kommt nicht von allein. Und wer behauptet, dass das eben ein Prozess ist, der Zeit braucht, aber immer weiter fortschreitet, der weiß vielleicht nicht, dass die Zahl der Mandatsträgerinnen seit 2015 in vielen Länderparlamenten sogar rückläufig ist. Natürlich wäre es besser, wenn es keine Quote bräuchte und Frauen wichtige Posten auch ohne diese bekommen würden. Offensichtlich funktioniert es aber nicht über den Weg der Freiwilligkeit. Solange es nicht von selbst geht, muss Gleichberechtigung geschaffen werden. Und dazu ist eine Frauenquote ein angemessenes Mittel. 

 

Quoten werden nicht über Nacht Gerechtigkeit schaffen, das ist klar. Die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Politik muss auf allen Ebenen und mit verschiedenen Instrumenten angegangen werden. Aber sie sind ein Schritt in die richtige Richtung hin zu einer selbstverständlichen Gleichberechtigung. Natürlich könnten wir auch einfach warten und hoffen, dass wir irgendwann mal ein paritätisch besetztes Parlament haben werden. Oder wir helfen eben etwas nach. Denn wir wollen nicht mehr warten, bis sich alte verstaubte Machtverhältnisse langsam anpassen. Wir wollen Veränderung und Teilhabe. Jetzt.

Die Meinung von Hannah Pauly.

Contra

Die Frage um die Gleichberechtigung wird noch immer heftig diskutiert. Frauen verdienen weniger, sind öfter Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt. In der Politik sind FLINTA* (cis-Frauen, Lesben, inter-geschlechtlich, nicht-binäre Menschen, trans-Menschen, agender Menschen und alle anderen, die sich dem männlichen Geschlecht nicht zugehörig fühlen) häufig unterrepräsentiert, Sitzungssäle werden nach wie vor vom alten weißen Mann dominiert. 

 

Nach Sophie Passmann hat der alte weiße Mann „Macht und er will diese auf keinen Fall verlieren“. Deswegen sitzt er in allen Vorständen, Parlamenten und schicken Lobbyrunden – ohne Frauen.

 

Ein Vorschlag, um das zu ändern, ist eine innerparteiliche Frauenquote. In Parteiämtern und auf den Landeslisten soll eine paritätische Aufstellung gewährleistet werden, um dem strukturellen Sexismus entgegenzuwirken. Dieser äußert sich nämlich nicht nur in misogynen Äußerungen und der Unterschätzung von Frauen, sondern auch in einem geschlechtsabhängigen Ungleichgewicht in der politischen Teilhabe.

 

Aber wohin führt das? Bräuchten wir dann nicht auch eine Quote für Migrant*innen, queere Menschen oder Menschen mit Behinderung? Diese Gruppen sind schließlich ebenfalls unterrepräsentiert und würden wie Frauen auch, Parteien, die Politik und politische Entscheidungsverfahren um andere Lebensperspektiven erweitern.

 

Und wäre das Problem so tatsächlich behoben? Davon ist nicht auszugehen. Auch wenn Frauen parteipolitische Führungspositionen bekleiden, ist der Bund der alten weißen Männer dadurch nicht durchbrochen. Entscheidungen über die Köpfe von Frauen können nach wie vor getroffen werden, die Vergangenheit zeigt: Die Dreistigkeit besteht, deswegen sind wir ja gerade in dieser Situation.

Die Frage ist auch nicht, ob Frauen es dennoch schaffen, sich in den Sitzungssälen der Parteien durchzusetzen. Viel wichtiger ist, dass der alte weiße Mann seine Blutsbrüderschaften auflöst und den Weg für eine Gesellschaft freigibt, die nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Realität gleichberechtigt ist.

 

Und bis dahin halte ich die Frage nach der Frauenquote nicht für die drängendste. Viel wichtiger scheint mir, Schutzräume für FLINTA* zu ermöglichen, die Gender-Pay-Gap (also das geschlechtsabhängige Ungleichgewicht in der Bezahlung) auszumerzen und all den kleinen alten weißen Männern von morgen einzubläuen, dass alle Menschen gleich viel wert sind und Gehör finden sollten – in jedem Rahmen, in jeder Partei.


Die Meinung von Diana Podoynitsyn.

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Die Ausgabe \\wahlen zur Landtagswahl im Saarland 2022 wird gefördert von der Union Stiftung, Stiftung Demokratie Saarland, Villa Lessing & der Landeszentrale für politische Bildung Saarland.