So entsteht der Wahl-O-Mat

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und die Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes haben für die Landtagswahl einen Wahl-O-Mat entwickeln lassen. Wie gelingt es, komplexe Politik auf 38 knackige Thesen herunterzubrechen? Interview mit Lea Schrenk, die im bpb-Team den Redaktionsprozess koordiniert.

Zu jeder Wahl werden rund 20 „Jungwähler/-innen“ ausgesucht, die dabei mitwirken dürfen, die Inhalte des Wahl-O-Mat zu erarbeiten. Warum diese starke Einbindung junger Menschen?

Der Wahl-O-Mat ist 2002 als Jugend-Tool entwickelt worden. Der Hintergrund war, dass es in der Altersgruppe der Erst- und Zweitwähler/-innen damals die niedrigste Wahlbeteiligung zu verzeichnen gab – das gilt auch heute noch. Es liegt deswegen nahe, junge Menschen auch in den Prozess der Erarbeitung einzubeziehen.

 

Wie stellt ihr sicher, dass es durch die starke Beteiligung dieser Altersgruppe keine inhaltliche Verzerrung gibt?

Zu der Wahl-O-Mat-Redaktion gehören jedes Mal auch Expert/-innen aus Wissenschaft und Journalismus sowie mehrere Mitarbeitende der Bundeszentrale und der entsprechenden Landeszentrale für politische Bildung. Damit sind auch viele andere Altersgruppen vertreten. Außerdem wird bei der Auswahl der jungen Teilnehmenden darauf geachtet, dass es eine möglichst diverse Gruppe ist – dass Schüler/-innen ebenso dabei sind wie Studierende, Auszubildende und Berufstätige. Und dass die Leute aus verschiedenen Regionen des jeweiligen Bundeslandes kommen.

 

Wie konnte man sich für den Wahl-O-Mat des Saarlandes bewerben?

Die bpb hat dazu über ihre Social-Media-Kanäle, Website und Newsletter aufgerufen. Auch die Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes hat über verschiedene Kanäle Werbung gemacht, um gezielt junge Menschen aus dem Saarland zu erreichen. Mitwirken konnten grundsätzlich alle im Saarland Wahlberechtigten zwischen 18 und 26 Jahren.

 

Was genau ist der Wahl-O-Mat eigentlich – ein Tool für Wahlempfehlungen?

Nein, der Wahl-O-Mat ist ein Informationstool über Wahlen und Parteien und daher soll er dazu anregen, sich mit den antretenden Parteien und den im Wahlkampf diskutierten Themen zu beschäftigen. Man kann seine eigenen politischen Positionen abgleichen mit denen der Parteien und erkennt, wo es die meisten Übereinstimmungen gibt.

 

Wie funktioniert dieser Abgleich?

Ich klicke mich durch 38 politische Thesen und positioniere mich pro Forderung mit „Stimme zu“, „Stimme nicht zu“ oder „Neutral“. Danach kann ich gewichten, welche Themen mir besonders am Herzen liegen. Am Ende bekomme ich für alle Parteien oder für eine bestimmte Auswahl, die ich zuvor selbst festgelegt habe, eine Rangfolge angezeigt: Welche Partei stimmt wie stark mit meinen Positionen überein? Anschließend kann ich mir auch ansehen, wie sich die Parteien zu den einzelnen Thesen positioniert haben und wie sie ihr Votum begründen.

 

Im Wahlkampf geht es um eine Vielzahl verschiedener Themen. Wie läuft die redaktionelle Arbeit ab?

Das geschieht im Wesentlichen bei zwei Workshops, zu denen die Redaktion zusammenkommt und die dieses Mal coronabedingt online stattfinden. Der erste Workshop fand im Dezember statt und dauerte drei Tage. Dort haben wir die Parteiprogramme und programmatischen Aussagen der Parteien zur Landtagswahl gesichtet und über aktuelle politische Debatten gesprochen. Auch über Social Media haben wir nach Hinweisen zu wichtigen Themen des Saarlandes gefragt. Während des Workshops haben wir uns in fünf thematische Untergruppen aufgeteilt und insgesamt 80 Thesen erarbeitet.

 

Was geschieht mit den erarbeiten Thesen?

Die wurden anschließend den Parteien zugeschickt und die Parteiführungen hatten mehrere Wochen Zeit, sich dazu zu positionieren. Außerdem wurden die Parteien aufgefordert, ihre Entscheidung zu begründen. Wenn alle Parteien ihre Positionierungen abgegeben haben, wird das von einem wissenschaftlichen Team statistisch ausgewertet: Welche Thesen sind kontrovers und unterscheiden die Parteien gut voneinander? Bei dem zweiten Workshop diskutieren wir einen Tag lang noch mal alle Thesen und wählen die 38 Thesen, die am besten die wichtigsten Wahlkampfthemen abbilden.

 

Heißt das auch, dass die Texte inhaltlich noch bearbeitet werden?

Nein, es wird kein inhaltlicher oder redaktioneller Einfluss genommen, die Hoheit über die Antworten liegt komplett bei den Parteien. Es werden nur Rechtschreibfehler korrigiert und geschaut, ob alles inhaltlich konsistent ist.

 

Und wenn ein Thema besonders relevant ist, sich aber viele Parteien sehr ähnlich dazu positionieren?

Es gehört zu den redaktionellen Herausforderungen, aufzuzeigen, dass hinter ähnlichen Forderungen nicht immer die gleichen politischen Argumente, Beweggründe und gesellschaftspolitischen Ziele stehen. Die allermeisten Parteien wollen das Klima schützen – in irgendeiner Art und Weise. Was aber heißt das konkret, wo liegen die Unterschiede? Eine gute These macht sie sichtbar. Sie spitzt weiter zu und destilliert so die dahinterliegenden Kontroversen heraus, die charakteristisch für die Parteilager sind.

 

Die Fragen stellte Oliver Geyer (bpb).

 

Das Interview erschien zuerst auf www.fluter.de/wahl-o-mat-entwicklerin und wurde leicht angepasst.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE

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Die Ausgabe \\wahlen zur Landtagswahl im Saarland 2022 wird gefördert von der Union Stiftung, Stiftung Demokratie Saarland, Villa Lessing & der Landeszentrale für politische Bildung Saarland.